TOP 100 Startup Award 2017: Silber für L.E.S.S. "Auf der Überholspur Richtung Massenmarkt"

07.09.2017

Das Unternehmen aus Lausanne peilt mit seiner innovativen Lichttechnologie den Durchbruch in der Automobilindustrie an.

L.E.S.S.©TinaSturzenegger_21.jpg
Die hellen Köpfe von L.E.S.S.
Die wenigsten Besucher des diesjährigen Genfer Automobilsalons werden etwas davon mitbekommen haben. Am Stand eines grossen deutschen Automobilherstellers gab es, eingebaut in den Tagfahrlampen eines Concept Car, eine lichttechnische Attraktion zu sehen. Für das Lausanner Unternehmen L.E.S.S. (Light Efficient Systems) kündete die Präsentation den langersehnten Durchbruch im Automobilmarkt an. Die Autofirma – ihr Name muss bis zur Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt diesen Herbst geheim bleiben – ist dafür bekannt, dass alle ihre vorgestellten Konzepte in Serienproduktion gehen. Und: Sie stellt pro Jahr über zwei Millionen Fahrzeuge her.
Fakten, die Yann Tissot, CEO und Mitbegründer von L.E.S.S., enthusiastisch stimmen: «Jetzt beschleunigen sich die Dinge. Unsere Firma nimmt endlich die Dimension an, die wir immer angestrebt haben.» Und diese Erwartungen lassen aufhorchen. L.E.S.S. habe das Potenzial, so Tissot, bis in fünf Jahren einen Umsatz von «mehreren hundert Millionen Franken» zu erzielen.
Mit anderen Worten, die Nummer eins der TOP 100 Startups der Jahre 2015 und 2016 setzt definitiv zum Sprung in den Massenmarkt an. Das Vorzeigeunternehmen L.E.S.S. war bis anhin in einem Nischenmarkt erfolgreich, in der optischen Qualitätskontrolle, wie sie zum Beispiel
für die Hersteller von Uhren oder medizinischen Implantaten zentral ist. Ob von Auge oder automatisiert mit einer Kamera, immer müssen die zu begutachtenden Teilchen optimal zu sehen und zu messen sein. Und dafür gibt es zurzeit keine bessere Hilfe als das gleichförmige und gebündelte Licht von L.E.S.S.

Das 2012 im Innovationspark der EPF Lausanne in Ecublens gegründete Unternehmen versteht seine Lichtquellen als Konkurrenz zur LED-Technologie, denn diese braucht zu viel Platz, ist zu wenig effizient und liefert zu wenig gleichmässiges Licht. Die
von L.E.S.S. entwickelte Alternative baut auf den Dissertationen der beiden Gründer in Photonik und nichtlinearer Optik auf. Die zentrale Innovation: Aktiv-Lichtwellenleiter auf der Basis einer einzigen nanostrukturierten Glasfaser. Die Nanofasern, durch die Laserlicht fliesst, sind mit Neonröhren vergleichbar, bloss sind sie dünner als ein Haar und liefern helleres und homogeneres Licht.
Diese Vorzüge sollen nun ihren Weg in unsere Autos finden. Mit der «Nano-aktiv-Fibertechnologie » der Lausanner lassen sich alle Leuchten eines Autos bis auf die Scheinwerfer bestücken. Die grossen Vorteile dabei: Die Produkte von L.E.S.S. verbrauchen weniger Energie und sind nur halb so schwer wie konventionelle Autolichter. Zudem eröffnen sich komplett neue Möglichkeiten beim Design der Leuchten. Vor allem aber stechen die Effizienztrümpfe bei Elektrofahrzeugen. «Da haben wir enorm viel zu bieten», meint Yann Tissot.
Das Jungunternehmen mit seinen zwölf Mitarbeitern ist definitiv flügge geworden. Es zieht demnächst aus dem Innovationspark in eigene Produktionsräumlichkeiten in Renens um. 2018 wird die Belegschaft auf über dreissig Personen angewachsen sein. Sie sollen im neuen Jahr «mehrere tausend» Produkte zur Qualitätskontrolle herstellen, denn der erste Markt, den sich L.E.S.S. erschlossen hat, floriert. Doch wie gesagt, das soll erst der Anfang sein. «Unser Herausforderung wird sein», erklärt Yann Tissot, «die nötigen Stückzahlen für den Automarkt zu liefern.»

Denn L.E.S.S. tanzt auf mehreren Autohochzeiten. Die Lausanner arbeiten nicht nur mit den Herstellern zusammen, sondern auch
mit den Zulieferen von Autoleuchten. Für den sich abzeichnenden Wachstumssprung soll es auch an Geld nicht fehlen. Für 2018 plant das Startup eine zweite Finanzierungsrunde im «deutlich zweistelligen» Millionenbereich. L.E.S.S. blickt dabei vor allem nach Deutschland. Das Interesse komme von Unternehmen und Familienstiftungen, so Tissot. «Die sind es gewohnt, langfristig in industrielle Projekte zu investieren.» Steigen bei L.E.S.S. tatsächlich im grossen Stil deutsche Kapitalgeber ein, entstehe ein «enormer Druck», auch in Deutschland zu produzieren, sagt Tissot. «Noch ist das aber Zukunftsmusik und wir wollen sicher auch künftig eine Geschäftstätigkeit in der Schweiz behalten.»

TEXT: KASPAR MEULI

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