TOP 100 Startup Award 2016: Zweiter Platz mit naturfaserverstärktem Werkstoff
15.09.2016
Freerider, Boarder und Surfer schwören schon länger auf naturfaserverstärkte Bretter und Skis. Der Hightech- Werkstoff, der den Sportgeräten besondere Leichtigkeit und ausserordentliche Dämpfungseigenschaften verleiht, ist eine Erfindung der Firma Bcomp.
![]() Die Gründer von Bcomp
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Das 2011 von Christian Fischer (38), Cyrille Boinay (43), Julien Rion (35) und Andreas Brülhart (35) gegründete Startup ist gut unterwegs. «Wir haben 2015 erstmals schwarze Zahlen geschrieben», sagt Boinay. Er leitet heute als Co- Geschäftsführer mit Gründungspartner Fischer das Jungunternehmen. Zahlreiche Urkunden zieren die Wände seines Büros und Auszeichnungen, die Bcomp gewonnen hat, wie etwa Venture Leaders und Swiss Economic Award in der Kategorie «Hightech und Biotech», vom Juni dieses Jahres.
Den natürlichen Verbundwerkstoff aus Flachs und Balsaholz, der nun in den Skikernen steckt, lässt Bcomp bei einem Partner in Ecuador fertigen. Über 35 Skihersteller, von Blizzard bis K2 und von Nordica bis Stöckli, setzen ihn mittlerweile ein. Der superleichte Werkstoff steckt auch in Kite-, Skate-, Surf- und Wakeboards sowie in Hockey- und Landhockeystöcken. «Einfach überall dort, wo das Gewicht der Geräte eine grosse Rolle spielt», erklärt Boinay.
Über die Sportartikelindustrie hat Bcomp zwar den Markteinstieg geschafft, doch die Einsatzmöglichkeiten der Naturfaser- Technologie sind damit noch längst nicht ausgeschöpft. In der Freiburger Blue Factory auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei Cardinal tüftelt ein Team aus sieben Ingenieuren in den Labors und vor den Bildschirmen an weiteren Anwendungen. Boinay zeigt ein Beispiel, den Prototypen eines Uhrengehäuses, der für eine Luxusmarke entworfen wird. Interessiert an den Werkstoffen seien überdies auch Hersteller von Design- und Reiseartikeln sowie von Möbeln, lässt er weiter durchblicken.
Darüber hinaus arbeitet Bcomp daran, die Rohstoffpalette für die natürlichen Faserverbund-Werkstoffe weiter auszudehnen, von Flachs auf Jute etwa und auf biobasierte Kunststoffe. «Wir sind an einer Lösung am Arbeiten, die rezyklierbar ist», verrät Boinay. Es tönt geerdet, fast schon bescheiden, angesichts der grossen Pläne, auf die der Co-Chef nun zu sprechen kommt: Seit anderthalb Jahren laufen nämlich auch Projekte mit der Automobilindustrie. Um die EU-Abgasvorschriften von 2020 erfüllen zu können, müssen die Autos unbedingt abspecken, nach der Formel: Weniger Gewicht gleich weniger Treibstoffverbrauch. Die neuen Werkstoffe der Bcomp kommen da gerade gelegen. Sie sind nur halb so schwer wie Karbonfasern und können günstiger produziert werden. Bcomp könnte also superleichte Teile für die Karosserieverstärkung und für die Innenausstattung liefern: Tür- und Cockpitabdeckungen, Sitzschalen, Dachhimmel …
Tatsächlich wird schon im nächsten Jahr ein Werkstoff von Bcomp in einem ersten Fahrzeugtyp, einem Elektroauto, serienmässig eingesetzt. Doch dies soll bloss der Anfang sein. Grosse und bekannte Automarken haben in Freiburg bereits angeklopft und sich an den Verhandlungstisch gesetzt. Für den Sprung vom Sport zum Automobilzulieferer sei man gerüstet, betont Boinay: «Wir haben die erforderlichen Prozesse schon weit vorangetrieben.» Die Produktion lagert Bcomp an Partner aus, derweil am Hauptsitz in Freiburg Administration, Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Betreuung der Zulieferer angesiedelt sind.
Der Umsatz von Bcomp könnte sich mit dem Ausbau der Autozuliefersparte rasch vervierfachen, die Beschäftigtenzahl von heute elf Mitarbeitenden zumindest verdoppeln. Strategisch stellt sich die Frage, ob die Firma das voraussichtliche Wachstum organisch bewältigen oder mit neuem Risikokapital finanzieren soll. Bislang ist das Jungunternehmen mit bloss einer Finanzierungsrunde über die Runden gekommen.
Derzeit ist kaum absehbar, wohin die Reise von Bcomp noch führen könnte. So haben die Freiburger auch ein Auge auf die Luft- und Raumfahrt geworfen. Mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA läuft ein Projekt. «Im Vordergrund steht dabei die Vibrationsdämpfung in Satelliten», so Boinay. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die naturfaserverstärkten Verbundwerkstoffe aus der Schweiz bald schon durch den Weltraum fliegen werden.
TEXT: PIRMIN SCHILLIGER
Den natürlichen Verbundwerkstoff aus Flachs und Balsaholz, der nun in den Skikernen steckt, lässt Bcomp bei einem Partner in Ecuador fertigen. Über 35 Skihersteller, von Blizzard bis K2 und von Nordica bis Stöckli, setzen ihn mittlerweile ein. Der superleichte Werkstoff steckt auch in Kite-, Skate-, Surf- und Wakeboards sowie in Hockey- und Landhockeystöcken. «Einfach überall dort, wo das Gewicht der Geräte eine grosse Rolle spielt», erklärt Boinay.
Über die Sportartikelindustrie hat Bcomp zwar den Markteinstieg geschafft, doch die Einsatzmöglichkeiten der Naturfaser- Technologie sind damit noch längst nicht ausgeschöpft. In der Freiburger Blue Factory auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei Cardinal tüftelt ein Team aus sieben Ingenieuren in den Labors und vor den Bildschirmen an weiteren Anwendungen. Boinay zeigt ein Beispiel, den Prototypen eines Uhrengehäuses, der für eine Luxusmarke entworfen wird. Interessiert an den Werkstoffen seien überdies auch Hersteller von Design- und Reiseartikeln sowie von Möbeln, lässt er weiter durchblicken.
Darüber hinaus arbeitet Bcomp daran, die Rohstoffpalette für die natürlichen Faserverbund-Werkstoffe weiter auszudehnen, von Flachs auf Jute etwa und auf biobasierte Kunststoffe. «Wir sind an einer Lösung am Arbeiten, die rezyklierbar ist», verrät Boinay. Es tönt geerdet, fast schon bescheiden, angesichts der grossen Pläne, auf die der Co-Chef nun zu sprechen kommt: Seit anderthalb Jahren laufen nämlich auch Projekte mit der Automobilindustrie. Um die EU-Abgasvorschriften von 2020 erfüllen zu können, müssen die Autos unbedingt abspecken, nach der Formel: Weniger Gewicht gleich weniger Treibstoffverbrauch. Die neuen Werkstoffe der Bcomp kommen da gerade gelegen. Sie sind nur halb so schwer wie Karbonfasern und können günstiger produziert werden. Bcomp könnte also superleichte Teile für die Karosserieverstärkung und für die Innenausstattung liefern: Tür- und Cockpitabdeckungen, Sitzschalen, Dachhimmel …
Tatsächlich wird schon im nächsten Jahr ein Werkstoff von Bcomp in einem ersten Fahrzeugtyp, einem Elektroauto, serienmässig eingesetzt. Doch dies soll bloss der Anfang sein. Grosse und bekannte Automarken haben in Freiburg bereits angeklopft und sich an den Verhandlungstisch gesetzt. Für den Sprung vom Sport zum Automobilzulieferer sei man gerüstet, betont Boinay: «Wir haben die erforderlichen Prozesse schon weit vorangetrieben.» Die Produktion lagert Bcomp an Partner aus, derweil am Hauptsitz in Freiburg Administration, Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Betreuung der Zulieferer angesiedelt sind.
Der Umsatz von Bcomp könnte sich mit dem Ausbau der Autozuliefersparte rasch vervierfachen, die Beschäftigtenzahl von heute elf Mitarbeitenden zumindest verdoppeln. Strategisch stellt sich die Frage, ob die Firma das voraussichtliche Wachstum organisch bewältigen oder mit neuem Risikokapital finanzieren soll. Bislang ist das Jungunternehmen mit bloss einer Finanzierungsrunde über die Runden gekommen.
Derzeit ist kaum absehbar, wohin die Reise von Bcomp noch führen könnte. So haben die Freiburger auch ein Auge auf die Luft- und Raumfahrt geworfen. Mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA läuft ein Projekt. «Im Vordergrund steht dabei die Vibrationsdämpfung in Satelliten», so Boinay. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die naturfaserverstärkten Verbundwerkstoffe aus der Schweiz bald schon durch den Weltraum fliegen werden.
TEXT: PIRMIN SCHILLIGER