Pixability CEO Bettina Hein im Interview: «In den USA rührt man gleich mit der grossen Kelle.»

08.01.2015

Kunden wie Chanel, Google und Estée Lauder, einen Beitrag in der New York Times sowie Auszeichnungen vom World Economic Forum und L'Oréal: Die Rede ist von Bettina Hein, eine der ersten venturelab Referentinnen und Gründerin des erfolgreichen Startups Pixability. Bevor die neue Schweizer Startup Nationalmannschaft 2015 mit dem venture leaders Programm nach Boston und New York startet, sprachen wir mit der innovativen Unternehmerin über die amerikanische Businesskultur, ihr Erfolgsgeheimnis und Tipps zum YouTube Marketing.

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Pixability Gründerin und CEO Bettina Hein
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Das Pixability Team bei einem Segeltörn in Boston
Bettina, wie schwierig ist es als Schweizer Startup einen Fuss in die amerikanische Tür zu bekommen?
Das venture leaders Programm ist für die Startups ein sehr guter Anfang, um in den USA Fuss zu fassen. Da man das amerikanische Startup-Ökosystem intensiv kennenlernt. Boston ist neben San Francisco das grösste Startup-Zentrum der Welt. Ich hatte in der Schweiz mein erstes Startup und in den USA mein zweites. Die Probleme, die man als Unternehmer und Unternehmerin in den USA kennt, unterscheiden sich stark von denen in Europa. In den USA rührt man gleich mit der grossen Kelle. Hingegen sind in Europa die Märkte viel kleiner. Ich hoffe, dass durch das venture leaders Programm den Startups klar wird, dass man auch ganz anders an Dinge herangehen kann.

Hier sprichst du auch schon das nächste Thema an. Die amerikanische Business-Kultur unterscheidet sich stark von der in Europa. Zum Beispiel sollte man Komplimente in den USA nicht ganz so ernst nehmen. Wie siehst du das?
Das Schöne ist, dass die meisten Geschäftskontakte sehr offen sind für Neues und Möglichkeiten, die sich bieten. In Europa ist die Business-Kultur verschlossen, eher zurückhaltend und man legt sich nicht so schnell fest. In den USA bekommt man viel schneller einen Termin, auch mit Entscheidungsträgern. Aber tatsächlich ist dann die Umsetzung schwieriger.

Ich habe zum Beispiel Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass „let`s do lunch soon“ ungefähr so viel heisst, wie ich habe überhaupt keine Zeit. Am Anfang nahm ich die Aufforderung noch sehr ernst und versuchte Lunch-Termine zu vereinbaren. Die Verbindlichkeit ist in den USA viel geringer. In der Schweiz ist es so, wenn jemand einen Termin festlegt, wird dieser auch eingehalten. Hier sind die Leute sehr freundlich, aber häufig nicht so zuverlässig.

2012 konnte man deine Erfolgsgeschichte in einem Artikel der New York Times nachlesen. Kannst du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, wie dir der Durchbruch in den USA gelang.
Als Europäer hat man einen entscheidenden Vorteil: man ist es gewohnt, sich wirklich an Absprachen und Vereinbarungen zu halten. Wenn ich etwas verspreche, dann mach ich das auch. Das finden die Leute hier wahnsinnig toll und erfrischend. Das ist schon die halbe Miete. Man muss natürlich, wie überall, hart an seinem Business arbeiten und hartnäckig sein. Hartnäckigkeit gepaart mit Freundlichkeit sind sehr gute Eigenschaften, die in den USA helfen können. Wie schon erwähnt, hatte ich bereits in der Schweiz ein erfolgreiches Software Startup und Anfangs Glück, dass die Investoren, die schon in meine alte Firma investierten, mich wieder unterstützen wollten. Dies war für mich eine sehr gut Grundlage, da mein Netzwerk zu Beginn in den USA noch sehr klein war.

Du bist 2012 mit dem „NEXT Generation Award” von L’Oréal und 2014 vom World Economic Forum als „Young Global Leader“ ausgezeichnet worden. Wie ist es in den USA als Unternehmerin zu arbeiten und siehst du Unterschiede zu Europa?
Ich bin in gewisser Weise ein ökonomischer Flüchtling aus Europa. Als ich noch in der Schweiz tätig war, kannte ich keine einzige Technologieunternehmerin. In den USA existiert eine Gruppe von ca. 130 Frauen, die alle Gründerinnen und CEO`s sind. Davon sind viele kleine aber auch einige sehr grosse und börsennotierte Unternehmen dabei. In den USA sind die Chancen für Unternehmerinnen ungleich grösser. Natürlich gibt es Hürden. Als Unternehmerin aus dem digitalen Bereich ist man immer noch relativ exotisch. Aber während in der Schweiz vielleicht nur 1% bis 5 % Frauen als Unternehmerin tätig sind, ist der Anteil mit ca. 20% bis 25% in den USA viel höher. Das spielt natürlich eine Rolle, da man nicht ein kompletter „Exot“ ist.

Ich leite ein Startup, bin CEO, habe 50 Angestellte und zwei kleine Kinder. In den USA ist es total normal, dass man ein paar Monate nach der Geburt eines Kindes wieder arbeiten geht und man kennt nicht den Rabenmutter-Vorwurf wie in Europa. Als Unterstützung habe ich eine Nanny und meiner Familie geht es sehr gut. Neben der Familie führe ich aber auch noch ein wachsendes Startup. Das ist nichts Besonderes hier. Durch den fehlenden gesetzlichen Mutterschaftsurlaub, kehren viele Frauen nach ca. drei bis sechs Monaten wieder in das Berufsleben zurück. Kein Zuckerschlecken, aber die Frauen bleiben im Arbeitsprozess und stecken nicht in der Babypause fest. Ich habe den Eindruck, dass viele Business-Frauen auch gerne wieder früher in ihren Beruf zurückkehren wollen. Natürlich gibt es Frauen, die sich ausschliesslich um die Familie kümmern. Aber die meisten möchten gerne weiterarbeiten und für viele Familien ist es eine ökonomische Notwendigkeit, dass beide Elternteile berufstätig sind.

Pixability war 2014 unter den Finalisten bei einem Wettbewerb, der die „coolsten“ Unternehmen in Boston suchte. Was machst du genau, um Fachkräfte zu halten und eine positive Firmenkultur zu schaffen?
Ich verbringe viel Zeit bei der Arbeit, daher möchte ich mir und meinen Mitarbeitenden eine angenehme Atmosphäre schaffen. Es fängt bei Kleinigkeiten an, wie der Ausstattung der Büroküche. Bei uns kann man dort immer Suppen und M&Ms finden. Dann bieten wir zu günstigen Konditionen einmal im Monat Massagen und alle zwei Wochen Yoga im Büro an. Wir organisieren viele gemeinsame Ausflüge. Heute Abend gehen wir zum Beispiel zu einer Shakespeare-Aufführung. Einmal im Quartal machen wir einen Segeltörn. Das alles fördert natürlich den Teamzusammenhalt enorm. Wir haben viele junge Leute in unserem Team. Ihnen ist es sehr wichtig, Spass bei der Arbeit zu haben. Vor kurzem ist ein Töggelikasten bei uns eingezogen. Und zu grösseren Sportevents organisieren wir Bürowetten. Bei der letzten WM haben wir die Spiele über einen Projektor laufen lassen. Wenn sich die Mitarbeitenden wohl fühlen, sind sie auch produktiver und Konflikte im Team lassen sich schneller und einfacher lösen.

In deinem Buch „Video Marketing for Dummies“ konntest du viele Tipps aus deinem Berufsalltag festhalten. Was kannst du Startups mit wenig Marketingbudget empfehlen?
Wie bei allen Marketing-Massnahmen, muss man seine Zielgruppe gut kennen. Zudem funktionieren informative Videos sehr gut. Es ist schwierig witzig und ausgefallen zu sein. Und es ist ein Mythos, dass über witzige Videos viel Aufmerksamkeit generiert wird. Das würde ich als Startup nicht probieren. Mein Vorschlag sind informative Videos, die das Produkt und den Nutzen demonstrieren. Wenn man dann noch zusätzlich ausgefallene Ideen hat, kann man die natürlich probieren. Die Chancen sind aber gering, dass diese Videos eine grosse Zielgruppe erreichen. Auch mit geringen Budget lässt sich bei YouTube effizientes Marketing betreiben, welches man als Startup, ohne Agentur im Hintergrund, alleine umsetzen kann. Angenommen jemand hat ein Makeup-Label. Auf YouTube gibt es wahnsinnig viele Makeup-Channels. Ich kann ein Teil meines Budgets dafür verwenden, relativ günstig auf genau diesen Kanälen Werbung für mein eigenes Label zu schalten. Mit wenig Budget, sollte man nicht auf jeden x-beliebigen YouTube-Kanal präsent sein, sondern ganz genau analysieren, welche Seiten für meine Zielgruppe spannend sind. 

Mehr über die erfolgreiche Unternehmerin
Bettina Hein ist Gründerin und CEO von Pixability in Boston. Sie war eine der ersten venturelab Referentinnen und traf sich bereits mehrmals mit der Schweizer Startup Nationalmannschaft, den venture leaders, in Boston. Ihr Software Unternehmen, das namhafte Kunden wie Chanel, Sharp, Estée Lauder und Google betreut, gilt als eines der innovativsten und führendsten digitalen Firmen in den USA. Bettina Hein baute vor Pixability das Schweizer Software Startup SVOX erfolgreich auf und verkaufte es an Nuance Communications für $125 Millionen. 2014 wurde sie von dem World Economic Forum als “Young Global Leader” nominiert. Aber nicht nur das: 2012 landete Bettina mit ihrer Erfolgsgeschichte in der New York Times und erhielt den L'Oréal NEXT Generation Award, ein Startup Award, der die besten fünf Unternehmerinnen im digitalen Bereich auszeichnet.
 
Im Video erhält man einen spannenden Einblick in die Arbeit von Pixability:

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