Climeworks-CEO Christoph Gebald: «Unsere Firmenkultur ist unser USP»
08.10.2014
Das ETH Spin-off Climeworks entwickelte eine Technologie, mit welcher CO2 aus der Luft gefiltert werden kann. Sie wurden durch die Startup-Programme venture leaders und venture kick vorangebracht. Inzwischen ist die erste voll skalierte Maschine im Testbetrieb, die zweite Finanzierungsrunde abgeschlossen und ein Industriepartner bekannt: Audi. Mit dem Climeworks-CEO und TOP 100 Swiss Startup Award Gewinner Christoph Gebald sprachen wir über den Weg vom Labor auf den Markt, zum Chefposten und zur wegweisenden Firmenkultur.
![]() Das Climeworks-Team: Christoph Gebald und Jan Wurzbacher
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Christoph, vor einigen Wochen durftet ihr die Kooperation mit Audi bekannt geben. Wie kam es zu dieser Partnerschaft?
Christoph Gebald: Wir arbeiten mit einer Synthesefirma zusammen, welche aus CO2 Benzin herstellt und diese Firma hat uns Audi vorgestellt. Seither sind wir in Kontakt und konnten Audi unsere Technologie präsentieren. Daraus resultierte nun die erwähnte Partnerschaft. Audi steht uns mit Know-how für die industrielle Produktion unserer CO2 Kollektoren zur Seite. Ausserdem ist Audi der weltweit erste Abnehmer für einen CO2 Kollektor, um diesen in eine Produktionsanlage für die Herstellung von synthetischem Fahrzeug-Treibstoff von Audi zu integrieren
Ihr habt kürzlich in Bern im Rahmen des Swiss Climate & Energie Summits gemeinsam mit Audi die Fachwelt sowie Bundesrätin Doris Leuthard über die geplante Revolution des Marktes für synthetische Kraftstoffe informiert. Diese Neuigkeit schlug ein und ihr erhieltet ein grosses mediales Echo. Hilft euch diese Medienpräsenz?
Gute Frage. Was wir tun, ist neu. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf der Strasse weiss, dass man CO2 aus der Luft filtern kann und daraus wieder CO2-neutralen Treibstoff herstellen kann, ist gleich null. Die mediale Berichterstattung hilft uns, unsere Technologie bekannt zu machen. Aber alleine durch die Medienbeiträge haben wir noch keine direkten positiven Effekte wie erhöhte Salesaktivitäten registriert. Aber wir werden öffentlich wahrgenommen und wer weiss, was in fünf Jahren daraus resultiert.
2014 war bisher nicht nur dank eurer Kooperation mit Audi ein gutes Jahr. Ihr konntet im April eure zweite Finanzierungsrunde abschliessen. Wie lief es?
Ich würde sagen, es lief relativ gut und ich bin sehr zufrieden. Unsere bestehenden Investoren haben grosses Commitment und Vertrauen gezeigt und in beachtlichem Masse an dieser zweiten Runde teilgenommen. Das ist ein sehr wertvolles Zeichen nach aussen und vereinfacht die Suche nach neuen Investoren. Aber es war schwierig, die richtigen Leute zu finden. Wir interessieren uns vor allem für Privatpersonen, die ihr eigenes Geld verwalten, unsere Vision teilen und bereit sind, uns langfristig zu unterstützen. Ein plötzlicher Geldabzug wäre fatal für uns. Als Investmenthorizont muss eher das Jahr 2020 gelten und nicht die Optimierung der Rendite für das nächste Jahr.
Du hast den langfristigen Zeithorizont angesprochen. 2009 hast du gemeinsam mit Jan Wurzbacher begonnen, inzwischen seid ihr 14 Personen. Trotz langsamen Wachstums bist du jetzt der Chef eines Teams, CEO und schon längst nicht mehr nur mit technischen Tüfteleien beschäftigt. Was bedeutet das für dich?
Erstens bedeutet es, dass Jan und ich unseren Traum leben können. Seit dem ersten Tag an der ETH träumten wir von einer eigenen Firma mit einem relevanten Produkt. Zweitens bedeutet es, dass wir uns in viele, für uns als Ingenieure neue Bereiche einarbeiten. Dazu gehören v.a. Verkaufsgespräche, Vertragsverhandlungen oder Führung, was uns aber mindestens so viel Spass macht, wie die Technik selbst. Wir haben nun eine Grösse erreicht, bei welcher wir uns mit dem Aufbau von Firmenstrukturen und Prozessen beschäftigen müssen, um gesund wachsen zu können. Wir legen sehr viel Wert darauf, unsere Leute gut auszubilden. Das erste halbe oder ganze Jahr investieren wir in unsere neuen Teammitglieder bis sie soweit sind, ihre Prozesse selbständig abzuarbeiten. Diese Zeiten sind intensiv und wir jeweils extrem unter Wasser, doch ist die Einarbeitung abgeschlossen, spüren wir den Mehrwert und der Multiplikationseffekt tritt ein.
Wie seid ihr beim Aufbau von Climeworks mit Themen wie der Unternehmenskultur oder –philosophie vorgegangen?
Wir beschäftigten uns stark mit unseren Werten und der daraus resultierenden Firmenkultur, sie ist ein Alleinstellungsmerkmal von uns. In den fünf Jahren unseres Bestehens hat noch nie jemand gekündigt, ausser einem Praktikanten, der uns nach einem Monat verliess, um andernorts mehr zu verdienen – den zähle ich aber nicht dazu. Das freundschaftliche Element ist uns wichtig. Ich mag die Leute, mit denen ich zusammenarbeite auch persönlich, wir sind Freunde und gehen abends auch mal was trinken. Der Gründer von Zappos, Tony Hsieh, hat mich persönlich stark inspiriert. Zappos ist ein amerikanisches Startup, welches von Amazon gekauft wurde. Hsieh hat das Buch „Delivering Happiness“ geschrieben und da geht’s um die Kultur in einer Firma. Er sagt: Erstens ist die Kultur genauso wichtig wie die Technologie oder das Produkt selbst. Wenn deine Firmenkultur nicht stimmt, dann wirst du keinen Erfolg haben. Es ist aber gleichzeitig auch deine Chance, dich von deinen Konkurrenten abzuheben. Und er sagt zweitens, dass wenn deine Firmenkultur mal aus den Fugen geraten ist, dann kriegst du sie auch nicht wieder hin. Eine Firmenkultur ist kein Alleinläufer, du musst daran arbeiten, sie verbessern. Aber wenn du das geschafft hast, dann hast du das Alleinstellungsmerkmal. Unser Erfolg ist nicht Jan und mir geschuldet, sondern eindeutig unserem Team. Und deshalb investieren wir auch viel Zeit in unsere Firmenkultur.
Was bedeutet das konkret, wenn du sagst, ihr investiert viel Zeit in eure Kultur? Sind das Teamevents? Oder noch genauer, was ist die Essenz eurer Kultur?
Ja klar, Teamevents gehören dazu. Wir gehen mal gemeinsam schwimmen, essen oder Skifahren. Eine viel grössere Rolle spielt sicherlich der tägliche Umgang. Wir begegnen einander auf Augenhöhe und nehmen die Feedbacks unserer Mitarbeitenden sehr ernst. Wenn ein Mitarbeiter irgendwo Probleme hat, dann nehmen wir uns dem an und versuchen die Rückmeldung möglichst gut und effizient umzusetzen. Wir möchten unseren Mitarbeitenden das Gefühl geben, dass sie ernst genommen werden und ihnen auch die entsprechende Verantwortung geben. Wir haben zudem Werte definiert. Werte, nach denen wir leben, nach denen unsere Firma funktioniert, mit denen sich alle identifizieren können und nach denen wir auch miteinander umgehen. Ein wichtiger Wert ist zum Beispiel Transparenz. Das heisst, dass wenn irgendetwas nicht passt, soll man das direkt ansprechen und nicht drei Monate bis zum nächsten Mitarbeitergespräch warten. Nach unseren Werten stellen wir ein und würden wir auch feuern.
Die Rekrutierung ist bei Startups ein grosses Thema. Wie ist es euch gelungen, die richtigen Leute zu finden?
Es ist auch bei uns ein mega Thema. Und dahinter steckt wahnsinnig viel Arbeit. Ich glaube, wir investieren überproportional viel Zeit in den Interviewprozess. Wir machen per Definition immer zwei Interviews bei denen jeweils zwei Leute von Climeworks dabei sind. Das erste Gespräch dient dem Kennenlernen, wir versuchen rauszufinden, ob der Bewerber die Core Values leben kann, testen die Soft Skills und die Kommunikation. Im zweiten Gespräch stellen wir meistens eine Problemstellung aus unserem Alltag vor, die auf eine abstrakte Art und Weise gelöst werden soll. Es geht nicht um die konkrete Lösung, sondern um den Weg dahin. Da zeigen sich die verschiedensten Facetten und so finden wir den oder die Richtige. Für die effiziente Ausschreibung von Jobs haben wir aber auch noch keine gute Lösung. Wir schalten meistens parallel bezahlte und unbezahlte Anzeigen an den Unis, aktivieren unser Netzwerk, nutzen Social Media und meistens auch jobs.ch. Aber vor allem bei den technischen Disziplinen wie Verfahrenstechnik haben wir grosse Probleme Leute zu finden. Da würde ich allenfalls auch mal in Erwägung ziehen einen Headhunter zu engagieren.
Du hast 2009 gegründet und bist somit ein alter Startup-Hase. Gibt es einen Tipp, welchen du gerne früher erhalten hättest?
(Lacht). Es hört sich blöd an, aber eigentlich nicht. Alle Fehler die wir gemacht haben, die mussten wir machen. Einer unser Core Values lautet "keine Angst vor Fehlern" und so sind wir unterwegs. Ich wäre rückblickend vielleicht ein bisschen länger an der Uni geblieben und hätte venture challenge ein Jahr später gemacht (lacht). Da uns aber die finanziellen Mittel an der Hochschule fehlten, mussten wir raus aus dem Labor - es würde also wieder gleich laufen. Unsere Technologie war bei Weitem noch nicht fertig entwickelt, als wir die Firma gegründet haben. Das heisst, wir mussten uns in Zeiten, in denen wir eigentlich nur entwickeln wollten, um Geld kümmern, den Markt analysieren. Das fühlte sich unglaublich ineffizient an. Zu diesem Zeitpunkt hast du keine Lust zu einem Gewächshaus zu fahren und zu fragen, ob sie CO2 brauchen, sondern du willst deine Anlage bauen. Mit der Erfahrung von heute wäre die Ausgestaltung von Verträgen und die Verhandlungen sicher viel speditiver. Aber ich denke, ein Startup ist per Definition hochiterativ und ineffizient. Du must einfach durch diese Mühle durch. Die Gewinner unterscheiden sich von den Verlierern nur dadurch, dass sie auch nach dem fünften Mal nochmals durch die Mühle gehen. Ein Startup ist Fleissarbeit.
Zu der Zeit, wo du lieber im Labor und nicht zu Gast bei Investoren gewesen wärst, habt ihr bei venture kick mitgemacht. Was hat es euch gebracht?
Oh, es hat sehr viel gebracht. Das treffendste Zitat dazu kommt von Jordi selbst: „Our job was to make you believe, that you can do it.“ Ich habe gelacht, als ich es zuerst gehört habe, aber rückblickend ist es genau das, was venture kick gemacht hat. Dadurch das du vor Investoren präsentiert und diese an dich glauben, schöpfst du Mut, dass es tatsächlich klappen könnte und bist umso motivierter. venture kick setzte bei uns eine Art positive Motivationsspirale frei. Als Ingenieure lag uns Kundenakquise fern, aber es war sehr gut, mussten wir uns damit beschäftigen. Denn letzten Endes entwickelt man ein Produkt für den Kunden und nicht für sich selbst. Wir haben bei venture kick gelernt, dass wenn du morgen etwas verkaufen möchtest, du am Besten schon vorgestern damit begonnen hast, dir Gedanken zum Markteinstieg zu machen. Das gilt für uns ganz besonders: Das Anlagengeschäft ist extrem langatmig und es braucht viel Zeit, um Beziehungen aufzubauen. Und das Zweite, was wir gelernt haben war: Wenn du mit einer PP-Folie nicht sagen kannst, was du tust, dann hast du ein Problem. venture kick hat uns geholfen, dass wir kurz und prägnant sagen können, was wir tun. Das ist auch heute noch unheimlich wichtig für uns. Seit ein paar Monaten haben wir das Glück ein Produkt zu haben. Aber vorher hatten wir nur eine Technologie und kein greifbares Produkt. Was wir verkauft haben, waren mehr oder weniger Worte. Wir haben gepitcht ohne Ende. Und diese Schule ist unbezahlbar wertvoll. Du lernst bei venture kick Dinge lean und clean darzustellen.
Über Climeworks
Das ETH-Spin-off Climeworks entwickelte so genannte CO2-Kollektoren. Diese filtern mit geringem Energieaufwand reines CO2 aus der Luft. Dieses «erneuerbare» CO2 ist idealer Rohstoff für viele industrielle Anwendungen, unter anderem für Fahrzeug-Treibstoffe wie Diesel, Benzin oder Methan. Die Technologie funktioniert standortunabhängig und ist weltweit einsetzbar. Co-Gründer Christoph Gebald hat im Jahr 2008 an dem Semesterkurs venture challenge an der ETH in Zürich teilgenommen und ein Jahr später 130'000 CHF bei venture kick gewonnen. Bei der Wahl der besten 100 Schweizer Startups von 2014 kam Climeworks auf den 7. Platz.
Christoph Gebald: Wir arbeiten mit einer Synthesefirma zusammen, welche aus CO2 Benzin herstellt und diese Firma hat uns Audi vorgestellt. Seither sind wir in Kontakt und konnten Audi unsere Technologie präsentieren. Daraus resultierte nun die erwähnte Partnerschaft. Audi steht uns mit Know-how für die industrielle Produktion unserer CO2 Kollektoren zur Seite. Ausserdem ist Audi der weltweit erste Abnehmer für einen CO2 Kollektor, um diesen in eine Produktionsanlage für die Herstellung von synthetischem Fahrzeug-Treibstoff von Audi zu integrieren
Ihr habt kürzlich in Bern im Rahmen des Swiss Climate & Energie Summits gemeinsam mit Audi die Fachwelt sowie Bundesrätin Doris Leuthard über die geplante Revolution des Marktes für synthetische Kraftstoffe informiert. Diese Neuigkeit schlug ein und ihr erhieltet ein grosses mediales Echo. Hilft euch diese Medienpräsenz?
Gute Frage. Was wir tun, ist neu. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf der Strasse weiss, dass man CO2 aus der Luft filtern kann und daraus wieder CO2-neutralen Treibstoff herstellen kann, ist gleich null. Die mediale Berichterstattung hilft uns, unsere Technologie bekannt zu machen. Aber alleine durch die Medienbeiträge haben wir noch keine direkten positiven Effekte wie erhöhte Salesaktivitäten registriert. Aber wir werden öffentlich wahrgenommen und wer weiss, was in fünf Jahren daraus resultiert.
2014 war bisher nicht nur dank eurer Kooperation mit Audi ein gutes Jahr. Ihr konntet im April eure zweite Finanzierungsrunde abschliessen. Wie lief es?
Ich würde sagen, es lief relativ gut und ich bin sehr zufrieden. Unsere bestehenden Investoren haben grosses Commitment und Vertrauen gezeigt und in beachtlichem Masse an dieser zweiten Runde teilgenommen. Das ist ein sehr wertvolles Zeichen nach aussen und vereinfacht die Suche nach neuen Investoren. Aber es war schwierig, die richtigen Leute zu finden. Wir interessieren uns vor allem für Privatpersonen, die ihr eigenes Geld verwalten, unsere Vision teilen und bereit sind, uns langfristig zu unterstützen. Ein plötzlicher Geldabzug wäre fatal für uns. Als Investmenthorizont muss eher das Jahr 2020 gelten und nicht die Optimierung der Rendite für das nächste Jahr.
Du hast den langfristigen Zeithorizont angesprochen. 2009 hast du gemeinsam mit Jan Wurzbacher begonnen, inzwischen seid ihr 14 Personen. Trotz langsamen Wachstums bist du jetzt der Chef eines Teams, CEO und schon längst nicht mehr nur mit technischen Tüfteleien beschäftigt. Was bedeutet das für dich?
Erstens bedeutet es, dass Jan und ich unseren Traum leben können. Seit dem ersten Tag an der ETH träumten wir von einer eigenen Firma mit einem relevanten Produkt. Zweitens bedeutet es, dass wir uns in viele, für uns als Ingenieure neue Bereiche einarbeiten. Dazu gehören v.a. Verkaufsgespräche, Vertragsverhandlungen oder Führung, was uns aber mindestens so viel Spass macht, wie die Technik selbst. Wir haben nun eine Grösse erreicht, bei welcher wir uns mit dem Aufbau von Firmenstrukturen und Prozessen beschäftigen müssen, um gesund wachsen zu können. Wir legen sehr viel Wert darauf, unsere Leute gut auszubilden. Das erste halbe oder ganze Jahr investieren wir in unsere neuen Teammitglieder bis sie soweit sind, ihre Prozesse selbständig abzuarbeiten. Diese Zeiten sind intensiv und wir jeweils extrem unter Wasser, doch ist die Einarbeitung abgeschlossen, spüren wir den Mehrwert und der Multiplikationseffekt tritt ein.
Wie seid ihr beim Aufbau von Climeworks mit Themen wie der Unternehmenskultur oder –philosophie vorgegangen?
Wir beschäftigten uns stark mit unseren Werten und der daraus resultierenden Firmenkultur, sie ist ein Alleinstellungsmerkmal von uns. In den fünf Jahren unseres Bestehens hat noch nie jemand gekündigt, ausser einem Praktikanten, der uns nach einem Monat verliess, um andernorts mehr zu verdienen – den zähle ich aber nicht dazu. Das freundschaftliche Element ist uns wichtig. Ich mag die Leute, mit denen ich zusammenarbeite auch persönlich, wir sind Freunde und gehen abends auch mal was trinken. Der Gründer von Zappos, Tony Hsieh, hat mich persönlich stark inspiriert. Zappos ist ein amerikanisches Startup, welches von Amazon gekauft wurde. Hsieh hat das Buch „Delivering Happiness“ geschrieben und da geht’s um die Kultur in einer Firma. Er sagt: Erstens ist die Kultur genauso wichtig wie die Technologie oder das Produkt selbst. Wenn deine Firmenkultur nicht stimmt, dann wirst du keinen Erfolg haben. Es ist aber gleichzeitig auch deine Chance, dich von deinen Konkurrenten abzuheben. Und er sagt zweitens, dass wenn deine Firmenkultur mal aus den Fugen geraten ist, dann kriegst du sie auch nicht wieder hin. Eine Firmenkultur ist kein Alleinläufer, du musst daran arbeiten, sie verbessern. Aber wenn du das geschafft hast, dann hast du das Alleinstellungsmerkmal. Unser Erfolg ist nicht Jan und mir geschuldet, sondern eindeutig unserem Team. Und deshalb investieren wir auch viel Zeit in unsere Firmenkultur.
Was bedeutet das konkret, wenn du sagst, ihr investiert viel Zeit in eure Kultur? Sind das Teamevents? Oder noch genauer, was ist die Essenz eurer Kultur?
Ja klar, Teamevents gehören dazu. Wir gehen mal gemeinsam schwimmen, essen oder Skifahren. Eine viel grössere Rolle spielt sicherlich der tägliche Umgang. Wir begegnen einander auf Augenhöhe und nehmen die Feedbacks unserer Mitarbeitenden sehr ernst. Wenn ein Mitarbeiter irgendwo Probleme hat, dann nehmen wir uns dem an und versuchen die Rückmeldung möglichst gut und effizient umzusetzen. Wir möchten unseren Mitarbeitenden das Gefühl geben, dass sie ernst genommen werden und ihnen auch die entsprechende Verantwortung geben. Wir haben zudem Werte definiert. Werte, nach denen wir leben, nach denen unsere Firma funktioniert, mit denen sich alle identifizieren können und nach denen wir auch miteinander umgehen. Ein wichtiger Wert ist zum Beispiel Transparenz. Das heisst, dass wenn irgendetwas nicht passt, soll man das direkt ansprechen und nicht drei Monate bis zum nächsten Mitarbeitergespräch warten. Nach unseren Werten stellen wir ein und würden wir auch feuern.
Die Rekrutierung ist bei Startups ein grosses Thema. Wie ist es euch gelungen, die richtigen Leute zu finden?
Es ist auch bei uns ein mega Thema. Und dahinter steckt wahnsinnig viel Arbeit. Ich glaube, wir investieren überproportional viel Zeit in den Interviewprozess. Wir machen per Definition immer zwei Interviews bei denen jeweils zwei Leute von Climeworks dabei sind. Das erste Gespräch dient dem Kennenlernen, wir versuchen rauszufinden, ob der Bewerber die Core Values leben kann, testen die Soft Skills und die Kommunikation. Im zweiten Gespräch stellen wir meistens eine Problemstellung aus unserem Alltag vor, die auf eine abstrakte Art und Weise gelöst werden soll. Es geht nicht um die konkrete Lösung, sondern um den Weg dahin. Da zeigen sich die verschiedensten Facetten und so finden wir den oder die Richtige. Für die effiziente Ausschreibung von Jobs haben wir aber auch noch keine gute Lösung. Wir schalten meistens parallel bezahlte und unbezahlte Anzeigen an den Unis, aktivieren unser Netzwerk, nutzen Social Media und meistens auch jobs.ch. Aber vor allem bei den technischen Disziplinen wie Verfahrenstechnik haben wir grosse Probleme Leute zu finden. Da würde ich allenfalls auch mal in Erwägung ziehen einen Headhunter zu engagieren.
Du hast 2009 gegründet und bist somit ein alter Startup-Hase. Gibt es einen Tipp, welchen du gerne früher erhalten hättest?
(Lacht). Es hört sich blöd an, aber eigentlich nicht. Alle Fehler die wir gemacht haben, die mussten wir machen. Einer unser Core Values lautet "keine Angst vor Fehlern" und so sind wir unterwegs. Ich wäre rückblickend vielleicht ein bisschen länger an der Uni geblieben und hätte venture challenge ein Jahr später gemacht (lacht). Da uns aber die finanziellen Mittel an der Hochschule fehlten, mussten wir raus aus dem Labor - es würde also wieder gleich laufen. Unsere Technologie war bei Weitem noch nicht fertig entwickelt, als wir die Firma gegründet haben. Das heisst, wir mussten uns in Zeiten, in denen wir eigentlich nur entwickeln wollten, um Geld kümmern, den Markt analysieren. Das fühlte sich unglaublich ineffizient an. Zu diesem Zeitpunkt hast du keine Lust zu einem Gewächshaus zu fahren und zu fragen, ob sie CO2 brauchen, sondern du willst deine Anlage bauen. Mit der Erfahrung von heute wäre die Ausgestaltung von Verträgen und die Verhandlungen sicher viel speditiver. Aber ich denke, ein Startup ist per Definition hochiterativ und ineffizient. Du must einfach durch diese Mühle durch. Die Gewinner unterscheiden sich von den Verlierern nur dadurch, dass sie auch nach dem fünften Mal nochmals durch die Mühle gehen. Ein Startup ist Fleissarbeit.
Zu der Zeit, wo du lieber im Labor und nicht zu Gast bei Investoren gewesen wärst, habt ihr bei venture kick mitgemacht. Was hat es euch gebracht?
Oh, es hat sehr viel gebracht. Das treffendste Zitat dazu kommt von Jordi selbst: „Our job was to make you believe, that you can do it.“ Ich habe gelacht, als ich es zuerst gehört habe, aber rückblickend ist es genau das, was venture kick gemacht hat. Dadurch das du vor Investoren präsentiert und diese an dich glauben, schöpfst du Mut, dass es tatsächlich klappen könnte und bist umso motivierter. venture kick setzte bei uns eine Art positive Motivationsspirale frei. Als Ingenieure lag uns Kundenakquise fern, aber es war sehr gut, mussten wir uns damit beschäftigen. Denn letzten Endes entwickelt man ein Produkt für den Kunden und nicht für sich selbst. Wir haben bei venture kick gelernt, dass wenn du morgen etwas verkaufen möchtest, du am Besten schon vorgestern damit begonnen hast, dir Gedanken zum Markteinstieg zu machen. Das gilt für uns ganz besonders: Das Anlagengeschäft ist extrem langatmig und es braucht viel Zeit, um Beziehungen aufzubauen. Und das Zweite, was wir gelernt haben war: Wenn du mit einer PP-Folie nicht sagen kannst, was du tust, dann hast du ein Problem. venture kick hat uns geholfen, dass wir kurz und prägnant sagen können, was wir tun. Das ist auch heute noch unheimlich wichtig für uns. Seit ein paar Monaten haben wir das Glück ein Produkt zu haben. Aber vorher hatten wir nur eine Technologie und kein greifbares Produkt. Was wir verkauft haben, waren mehr oder weniger Worte. Wir haben gepitcht ohne Ende. Und diese Schule ist unbezahlbar wertvoll. Du lernst bei venture kick Dinge lean und clean darzustellen.
Über Climeworks
Das ETH-Spin-off Climeworks entwickelte so genannte CO2-Kollektoren. Diese filtern mit geringem Energieaufwand reines CO2 aus der Luft. Dieses «erneuerbare» CO2 ist idealer Rohstoff für viele industrielle Anwendungen, unter anderem für Fahrzeug-Treibstoffe wie Diesel, Benzin oder Methan. Die Technologie funktioniert standortunabhängig und ist weltweit einsetzbar. Co-Gründer Christoph Gebald hat im Jahr 2008 an dem Semesterkurs venture challenge an der ETH in Zürich teilgenommen und ein Jahr später 130'000 CHF bei venture kick gewonnen. Bei der Wahl der besten 100 Schweizer Startups von 2014 kam Climeworks auf den 7. Platz.